Universum Bremen - Der mobile Mensch

ioki Hamburg
© Deutsche Bahn AG Wolfgang Köhler
ÖPNV

ioki: Individueller Shuttle-Service in Hamburg

21.11.2019 - von Simone Cordes

Der Sammeltaxi-Dienst möchte den öffentlichen Nahverkehr flexibler gestalten

Input, Output, Künstliche Intelligenz: Das „ioki Hamburg Shuttle“ ist ein öffentliches Verkehrsmittel ohne Fahrplan, das per App individuell bestellt werden kann. Fahrgäste mit ähnlichen Routen können zu Fahrgemeinschaften gebündelt werden. Unterwegs besteht somit die Möglichkeit, dass weitere Mitfahrerinnen und Mitfahrer ein- und aussteigen können. Insgesamt verfügen die elektrisch betriebenen Fahrzeuge über sechs Fahrgastplätze. Gebucht werden können die Fahrten über die App zum ÖPNV-Tickettarif mit einem Euro Aufpreis pro Person.

Hinter dem Mobilitätsservice stehen die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH) und ioki, ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn (DB) für intelligente On-Demand-Mobilität. Die Fahrerinnen und Fahrer wurden extra für den Shuttle-Service eingestellt. Im Sommer 2018 startete das Projekt in den Stadtteilen Lurup und Osdorf. Ein Jahr später wurde es mit dem Deutschen Mobilitätspreis ausgezeichnet. Wir waren neugierig und wollten mehr über das Shuttle erfahren. Bei einem Interview mit einer Sprecherin der Deutschen Bahn haben wir genauer nachgefragt.  

Wie ist die Idee für das On-Demand-Shuttle ioki Hamburg entstanden?

„ioki bietet On-Demand-Mobilität für Regionen, in denen der bestehende ÖPNV eine sinnvolle Ergänzung braucht. Wir wollen mehr Menschen individuelle Mobilität ohne eigenes Auto ermöglichen. In den beiden Hamburger Stadtteilen Osdorf und Lurup gibt es zwar bereits ein gutes Busangebot mit sehr engen Taktangeboten, aber der Weg zur nächsten Haltestelle ist für viele Anwohner zu weit entfernt, sodass sie in der Vergangenheit meist direkt mit dem Auto von zu Hause bis zum Ziel fuhren. Dies hat unsere vorherige Mobilitätsanalyse des Gebiets ermittelt. Mit ioki Hamburg soll die erste und letzte Meile überwunden und der ÖPNV gestärkt werden.“ 

Wie funktioniert der individuelle Shuttle-Service?

„Das ioki Hamburg Shuttle ist ein öffentliches Verkehrsmittel ohne festen Fahrplan oder Linien, das vollständig in den Nahverkehrstarif des Hamburger Verkehrsverbundes (HVV) integriert ist. Die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein GmbH (VHH) bringt das Angebot zusammen mit ioki auf die Straße. Mit der ioki Hamburg App können Nutzerinnen und Nutzer ihre Fahrt individuell und mit wenigen Klicks buchen. Fahrgäste mit ähnlichen Routen werden mit Hilfe eines Algorithmus automatisch zu Fahrgemeinschaften gebündelt und gemeinsam befördert. Im Bediengebiet wurden in Abständen von nicht mehr als 200 Metern zusätzliche Haltepunkte eingerichtet. So wird die Fläche optimal abgedeckt und das bestehende Bus- und Bahnangebot sinnvoll ergänzt. Der Service ist täglich rund um die Uhr verfügbar.“

Gab es besondere Herausforderungen bei der Einführung?

„Der Start von ioki Hamburg hat unsere Erwartungen deutlich übertroffen, das Angebot war von Tag 1 an direkt sehr gefragt. Doch wie bei jedem neu eingeführten Service, gab es auch bei diesem die eine oder andere Stellschraube, die nachjustiert wurde. Wir mussten feststellen, dass es immer wieder zu Buchungen kam, die nicht genutzt, aber auch nicht storniert wurden. Diese sogenannten „No-Shows“ belasteten den Algorithmus und blockierten Anfragen anderer Kunden. Sie führten also nicht nur zu Mehraufwand, sondern auch dazu, dass für Fahrgäste, die tatsächlich gerne mit ioki Hamburg fahren wollten, kein Fahrzeug verfügbar war. Um auch weiterhin einen qualitativ hochwertigen Service sicherstellen und das Angebot ausbauen zu können, wird seit April 2019 deshalb für jede gebuchte Fahrt ein Aufpreis zum HVV-Ticket in Höhe von einem Euro pro Person berechnet. Auf diese Weise konnten wir die Nachfrage entsprechend steuern und auch die Verfügbarkeit der Fahrzeuge deutlich steigern. 93 Prozent aller Fahrtanfragen können mittlerweile mit einem passenden Angebot bedient werden. Gleichzeitig ist die durchschnittliche Wartezeit deutlich gesunken und liegt nun konstant bei unter fünf Minuten.“

In welchen Stadtteilen hat sich das On-Demand-Shuttle in Hamburg etabliert?

„Das On-Demand-Shuttle ioki Hamburg hat sich bereits in den Stadtteilen Osdorf und Lurup als Mobilitätsbaustein etabliert. Ab Herbst 2019 werden wir zudem in Billbrook als weiteres Bediengebiet starten. Der Stadtteil besteht zu einem Großteil aus einem Gewerbegebiet mit mehr als 1.000 ansässigen Betrieben und über 20.000 Beschäftigten. Besonders für Berufspendler können in Billbrook mit ioki Hamburg die erste und letzte Meile zum bestehenden ÖPNV überbrückt und die vorhandenen Buslinien ergänzt werden.“

Wie viele Fahrzeuge sind zurzeit in Hamburg im Einsatz?

„Aktuell sind 20 emissions- und barrierefreie Elektrofahrzeuge des britischen Herstellers LEVC im Einsatz.“

Was trägt ioki Hamburg zur Mobilität der Zukunft bei?

„Zugang zu einer funktionierenden und gleichzeitig komfortablen Mobilität ist und bleibt Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft. ioki Hamburg kommt dort zum Einsatz, wo große Busse gar nicht erst hinkommen, zum Beispiel enge Straßen in Wohngebieten. Das Angebot spricht alle Bevölkerungsschichten an, die kostengünstig, flexibel, umweltfreundlich und bequem von A nach B kommen möchten: Familien, Senioren, Pendler, HVV-Kunden, Digital Natives, Personen ohne PKW und Nutzer des ÖPNV. Wir möchten den öffentlichen Nahverkehr mit unserem On-Demand-Shuttle-Angebot stärken – und der Plan geht heute schon auf. Etwa die Hälfte unserer Fahrgäste lässt sich zu größeren Haltestellen im Bediengebiet bringen. Ziel ist es, mithilfe digitaler Technologien und vernetzter Angebote mehr Menschen individuelle Mobilität ohne eigenes Auto zu ermöglichen und den ÖPNV insgesamt für die Menschen attraktiver zu machen. Mit messbaren positiven Effekten auch für Umwelt- und Klimaschutz.“

Wie stellen Sie sich die Weiterentwicklung Ihres Projektes in den nächsten zwei Jahren vor?

„Wie schon erwähnt, starten wir im Herbst 2019 den Betrieb von ioki Hamburg in Billbrook. Anfang August startete dort bereits der Testbetrieb mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgewählter, in Billbrook ansässiger Unternehmen. Eine sukzessive Erhöhung der Flotte ist sowohl in Lurup und Osdorf, als auch in Billbrook jederzeit möglich, jedoch stets mit dem Ziel, den Bedarf sinnvoll und effizient zu bedienen.“